Was mich im Yoga (be)hindert – die mentalen Hindernisse

reste Bei den Hindernissen (antarayah) im Yoga ist die Achtlosigkeit (pramada) der vierte Punkt. Jedenfalls so, wie er in den Yogasutren des Patanjali aufgeführt ist. Diese Achtlosigkeit wird auch als Nachlässigkeit, Überheblichkeit oder einfach Hast übersetzt.

Ganz gleich welcher Wortübersetzung man sich anschließt, geht es um eine Erscheinung bei der (jedenfalls ich) man sich immer wieder erwischt. Wenn wir besonders schnell zum Ziel kommen wollen, geht es oft unüberlegt und nachlässig zu. Das schafft Probleme, denn wir kommen nicht voran und schlimmstenfalls geht es statt vorwärts sogar rückwärts.

Der Fortschritt im Yoga ist immer auch mit ständiger Reflexion, sich beobachten und Nachdenken verbunden. Nicht zwanghaft und kontrollsüchtig, eher im Sinne von liebevoll aufmerksam begleitend. Dieser eigenen liebevollen Beobachtung entwindet man sich durch die Achtlosigkeit und dem zu forschen Tempo, das man anstrebt.

Mit der Achtlosigkeit in Zusammenhang steht das nächste, fünfte, Hindernis auf dem Yogaweg, die Resignation (alasya), oft auch schlicht als Faulheit bezeichnet. Es ist letztlich der Verlust unseres Enthusiasmus auf dem Weg. Wir erschöpfen uns, die Energie ist nicht mehr vorhanden. Verschlimmert wird dieser Zustand noch, wenn wir durch unsere Achtlosigkeit (pramada) mal wieder zu weit vorgeprescht waren und irgendwann feststellen, dass wir uns doch nur rückwärts bewegt haben.

genussDas sechste Hindernis ist avirati, was Ablenkung, Genusssucht, sinnliche Abhängigkeit umschreibt. Für welche Umschreibung man sich auch entscheidet es geht immer darum, dass die eigenen Sinne die Oberhand über alles gewinnen und nicht mehr Diener im Leben sind, sondern das Leben und die geistige Ausrichtung bestimmen.

Die hier genannten Hindernisse pramada (Achtlosigkeit, Hast), alasya (Resignation, Faulheit) und avirati (Ablenkung, sinnliche Abhängigkeit) werden zusammen mit samsaya (lähmenden Zweifel) als die mentalen, die geistigen, Hindernisse zusammengefasst.
Derzeit laufen wieder Diskussionen darüber, was von unserem Verhalten und von unserem Charakter angeboren und was erlernt ist. So interessant diese Diskussion von einem biologisch-naturwissenschaftlichen Standpunkt auch ist und selbst wenn herauskäme, dass wir für unsere Taten keinesfalls verantwortlich wären, weil unser Charakter eben quasi von Natur aus so ist, wie er nun mal ist. Es ist im Yoga nicht von Belang. Im Yoga kann man sich nicht herausreden, da man die Hindernisse benennen … und somit erkennen kann. Und an dem, was ich erkenne, kann ich arbeiten und die Dinge ändern.

Alltags-BlümchenDa ich mich schon seit einigen Tagen immer wieder mit den Hindernissen im Yoga (und damit im eigenen Leben) beschäftige, kam mir auch der Gedanke, ob es nicht kontraproduktiv ist, sich mit den negativen Dingen – Hindernissen – zu beschäftigen. Gerade wenn man sich in der Szene umsieht, in meinem Feed haben nicht weniger als fünf abonnierte Webseiten und Blogs den Begriff „Glück“ im Titel, scheint es nicht gerade Mode zu sein sich mit Hindernissen zu beschäftigen. Der Blick zumindest in der Zunft der Mentaltrainer geht nach vorne. ‚Think positiv‚ liegt voll im Trend.

Ich bereite mich auf eine schwierige Sitzung am kommenden Wochenende vor, habe gerade von einer schweren existentiellen Erkrankung in meiner Umgebung gehört und eine Absage für einen schönen beruflichen Auftrag bekommen. Ehrlich gesagt hilft mir da ein Jubeltraining im Sinne von ‚think positiv‚ wenig. Es fühlt sich hier nicht richtig an.

innenHier setzt Yoga – zumindest in den Yogasutren – einen komplett anderen Schwerpunkt. Der Blick im Yoga geht nicht nach vorne, allerdings auch nicht nach hinten, sondern nach innen. Yoga fragt: Was ist? Und gerade darin liegt eine ungeahnte Stärke. Denn „Was ist?“ ruhig, liebevoll und ohne der Versuchung, sich rechtfertigen zu müssen zu erlegen, verschafft Klarheit. Darüber was ist. Und das hilft sich dem zu stellen, was kommt.

Übersicht über alle Beiträge zu den Hindernissen im Yoga:

  1. 1. Krankheit
  2. 2. Trägheit
  3. 3. lähmender Zweifel
  4. 4. die mentalen Hindernisse
  5. 5. Hindernisse des Intellekts
  6. 6. spirituelle Hindernisse
  7. 7. Übersicht

fotos: Maren Beßler, Konstantin Gastmann, jürgen heimerl / pixelio.de

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12 replies on “Was mich im Yoga (be)hindert – die mentalen Hindernisse”

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  3. Ist ok, Claudia. Eigentlich arbeiten wir in die gleiche Richtung. Und Du hast recht, in dem ich Dich missverstanden habe, habe ich mir das Leben tatsächlich etwas schwerer gemacht – maya sein Dank. Aber vielleicht fällt es danach schon wieder etwas leichter 🙂 Liebe Grüße, Bernd.

  4. Lieber Bernd,

    verzeih, wenn ich dir zu nahe getreten sein sollte!

    Da du selbst diese drei Beispiele gebracht hast, hab‘ ich „entlang an ihnen“ eine bestimmte Betrachtung vorgeschlagen (wie ich sie in ähnlichen Fällen pflege, natürlich auch, um das Leiden zu unterminieren). Das geschah mit Bezug auf das „Yoga fragt: Was ist?“ aus deinem Artikel, sozusagen als Anwendungsbeispiel. Der Schluss „wie wir es doch vermögen, aus Gedanken, Erwartungen und Illusionen, Leiden zu erschaffen“ ist die Schlussfolgerung, die ich aus einer solchen Betrachtung ziehe, bzw. die sich mir aufdrängt. Und diese Einsicht mindert tatsächlich das Leiden, sonst würde ich hier gar nicht davon anfangen.

    Ich wollte nicht etwa durch unziemliche Übergriffe dein ganz persönliches Leid reduzieren oder es auch nur beurteilen – ich hab’s wie du als BEISPIEL verwendet. Tut mir leid, wenn du das in den falschen Hals bekommen hast!

    Lieben Gruß

    Claudia

  5. Nö Claudia 😉

    Wie wir es doch immer wieder vermögen, aus reinen Gedanken ein ordentliches Päckchen Leiden zu spinnen!

    Es waren nur Beispiele aus meiner konkreten aktuellen Situation, die ich nicht reduziert betrachten möchte. Ein Leiden daran ist eher begrenzt bzw. nur in dem Umfang, den ich auch nach dem Erkennen nicht ablegen kann.

    Ohne die Reflexion wäre das Leiden deutlich stärker, denn es ist schon ein Unterschied, ob man Angst um eine nahestehende Person hat oder um die eigene Angst um die nahestehende Person weiß!

    Das Gefühl … in dem Fall die Angst um jemanden … bleibt, jedenfalls wenn das Gefühl authentisch ist. Nur die Haltung zum Gefühl, und damit der Umgang damit, ändert sich.

    Viele Grüße

    Bernd

  6. @Bernd

    „Denn “Was ist?” ruhig, liebevoll und ohne der Versuchung, sich rechtfertigen zu müssen zu erliegen, verschafft Klarheit. “

    Die Klarheit, zu sehen: Da ist NICHTS!

    ->Eine schwierige Sitzung vorbereiten ist fordernd, aber nicht wirklich ein Problem in einem aktiven und kreativen Berufsleben
    ->Den Auftrag hattest du auch bisher nicht und hast trotzdem gut gelebt.
    ->Die Krankheit war schon da, bevor du von ihr erfuhrst, und ob die Person an ihr, an einem Autounfall oder an Altersschwäche sterben wird, ist ungewiss – nur dass sie (wie jeder von uns) sterben wird, ist gewiss.

    Was ist es also, das nervt?
    ->Erwartungen wurden ent-täuscht (Auftrag),
    -> andere Erwartungen (SCHWIERIGE Sitzung) bedrücken weiter, solange sie festgehalten werden,
    -> die Alltags-Illusion der Unsterblichkeit (=wir haben ewig Zeit) wurde erschüttert.

    Wie wir es doch immer wieder vermögen, aus reinen Gedanken ein ordentliches Päckchen Leiden zu spinnen!

  7. @gabaretha,

    Problem erkennen, sich die Lösung bildlich vorstellen, ihr Eintreffen abwarten – TUN soll man nichts???

    Also da vertraue ich lieber auf die alte Sponti-Methode:

    wenn wir es wollen und machen,
    kommt der Stein ins Rollen und Krachen!

    😉

  8. Moin Moin, Gaba, „Jubeltrainings“ sind für mich Veranstaltungen die sich dadurch auszeichnen, dass der Veranstalter als Einheizer seine Leute ohne Rücksicht auf Verluste nach vorne peitscht, Probleme nicht existent sind oder sich in Luft auflösen, wenn man nur die – in aller Regel stark reduzierte – Methode XY anwendet. Besonders anfällig für diese Formen sind neben der ‚think positiv‘-Fraktion typische negative Guru-Veranstaltungen wo man statt über eine sinnvollen Methode das Heil über eine bestimmte Person erwerben kann.

    In dem Moment, wo man beginnt seine Situation wirklich zu sehen, ist man aus dieser negativen Beeinflussung heraus. Denn das hat etwas mit Erkennen zu tun und Erkenntnis hat schon so manchen Möchtegernguru in die Wüste geschickt. Eine Methode, die zum Erkennen anleitet, macht unempfindlich gegen falsche Versprechungen.

    Also, wenn deine Methode mit Erkenntnis arbeitet, dann ist alles im grünen Bereich 🙂

    Du darfst nicht vergessen, dass diese kleine Reihe über Hindernisse im Yoga nur einen Ausschnitt meiner persönlichen Beschäftigung mit einer Quellenschrift des Yogas darstellt. Seit zwei Wochen „arbeite“ ich an einem einziger Satz – einem von 196 in dieser Quelle. Und wenn ich mit diesem Satz ‚durch‘ bin, geht es an den nächsten. Und irgendwann komme ich wieder auf diesen Satz zurück mit vielleicht neuen und anderen Erkenntnissen. Yoga ist nie etwas fertiges, sondern immer Weg und Ziel zugleich.

    Ich freue mich, wenn mein Beitrag offensichtlich auch zum Nachdenken und Reflektieren angeregt hat. Die Schlüsse die wir aus der Reflexion ziehen mögen unterschiedlich sein. Müssen es aus meiner Sicht auch, denn wir sind unterschiedlich und haben unsere eigen Fähigkeiten, eigene Geschichten, unser eigenes Lebensumfeld. Wie kann es da einen gleichen Weg in der persönlichen Entwicklung geben?

    Immer da, wo der Ausgangspunkt das Erkennen der Situation ist, beginnen Wege. Eigene – und ihnen zu folgen kann sehr spannend werden.

    Liebe Grüße

    Bernd

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  10. Lieber Bernd,
    ich habe über ein Weilchen über Deine Aussage nachgedacht.
    Was passiert nach Deiner Ansicht in einem „Jubeltraining“?
    Ich will Dir einen kleinen Einblick in die UltraMind Technik gewähren:
    Wenn wir versuchen Probleme zu lösen, oder schwierige Situationen zu „meistern“ benutzen wir eine Technik, die folgende Schritte beinhaltet:
    1.) Situation sehen, erkennen und annehmen.
    2.) Lösung suchen – sich bildlich und sinnlich vorstellen.
    3.) Loslassen und dankbar das Eintreffen der Lösung erwarten.
    Im Unterschied zu vielen anderen Lösungswegen versuchen wir uns „zukunftsorientiert“ auf das beste Ergebnis für alle Beteiligten zu konzentrieren.
    Negative Gedanken und Taten haben darin keinen Platz.
    Aber von Jubeltraining habe ich bisher noch nichts gespürt 😉
    Ich wünsche Dir das beste Ergebnis, für alle Deine Vorhaben, besser und besser, Gaba

  11. Yoga kann – manchmal jedenfalls – helfen, das eine oder andere Jahr einzusparen 🙂 Und viel Freude beim Yoga … es ist eben doch etwas mehr als ein wenig Meditationsgymnastik. Viele Grüße, Bernd

  12. Dabei sind Hindernisse doch gerade so wertvoll – auch aus Mentalsicht.
    Wenn positives Denken bedeutet, dass ich Unkraut für Rosen halte, dann ist das sicherlich nicht förderlich für meine Entwicklung, denn es hat den Charakter von Selbstbelügerei.
    Wenn ich positiv denke, weil ich weiss, dass ein Problem (Hindernis) mir etwas zeigen (mitteilen) will, dann finde ich das zielführend.

    Und wie Du so schön schreibst, Bernd, ein Hindernis ist eine gute Gelegenheit, den Blick vom Aussen nach Innen zu wenden und dort neue Kraft und Erkenntnisse zu finden.
    Das finde ich mehr als positiv.

    Im Moment des Problems hat man sicherlich keine Lust etwas Positives an einer Situation zu sehen. Aber es ist halt so: schau nach Innen und Du findest heraus, wie die Botschaft lautet.

    Bei mir hat das sogar schon mal länger als ein Jahr gedauert – war nicht prickelnd – aber im nachhinein dennoch gut.

    Hast einen schönen Beitrag geschrieben Bernd, da kriege ich sogar Lust, mich mal näher mit Yoga zu befassen.

    Danke!

    Frank

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