Über die Freundlichkeit

Mohn im Gegenlicht

(c) Dagmar Zechel / pixelio.de

Vor längerer Zeit habe ich mir mal die Mühe gemacht, mich mit den Hindernissen im Yoga nach der Darstellung in den Yoga-Sutra zu beschäftigen. Eine mühselige, aber auch fruchtbringende Aufgabe, von der ich bis heute Nutzen ziehe. Was ich damals noch nicht richtig würdigen konnte, war ein besonderer Aspekt in der Auflösung der Problematik, den ich hier mal mit Freundlichkeit überschrieben habe. In der Übersetzung von Ralph Skuban endet die Darstellung der Hindernisse in Sutra 1.33: Das Bewusstsein wird ruhig, wenn wir eine innere Haltung kultivieren, die sich dem Glück anderer freundlich zugewandt zeigt und von Mitgefühl für leidende Wesen geprägt ist, eine Haltung, die ehrliche Freude über Gutes zum Ausdruck bringt und von Gelassenheit gegenüber dem Negativen zeugt.

Manchmal laufen die Stränge des Lebens einfach zu einem bestimmten Thema zusammen. In der letzten Wochen habe ich eine Yogastunde bei Xenia Ramoglou (die übrigens den Eindruck erweckt, diese Freundlichkeit schon verinnerlicht zu haben) mitgemacht, die genau diese Sutra zum Thema gemacht hatte. Da fühlte sich das Thema schon als bei mir angekommen an. Sich selbst nicht in den Mittelpunkt stellen, anderen zugewandt, freundlich zu sein führt zu einem besseren Standing und führt genau so in die Ruhe, wie spirituelle (Yoga-)Übungen.

Gestern beim Gottesdienst war der Predigttext aus dem Jakobusbrief (5,13-16). Hier geht es letztlich um Heilung und was jeder tun kann, damit Heilung eintritt. Genauer heißt es in Vers 16 … betet füreinander, dass ihr gesund werdet. Wenn die Bibel davon spricht, dass man einen Erkrankten im Namen Gottes mit Öl salben soll, dann ist das ein Maximum an Zuwendung für den Menschen.

Die Yogasutra und die Bibel fordern beide die Zugewandtheit um Heilung zu erreichen. Und auch wenn der Blickwinkel sicher unterschiedlich ist. Die Sutra schauen auf den Aspekt der eigenen Heilung die einhergeht mit einer freundlichen, herzlichen Haltung, die Bibel mehr auf den Aspekt der von Gott ausgehenden Gnade. Nur ist auch hier die Voraussetzung die positive Zuwendung. In der Praxis, in dem was geschieht, geschieht das Selbe. Ich wende mich freundlich, liebevoll zu. Genau das führt zu einem Prozess der Heilung. Bei mir – und bei meinem Gegenüber.

Zuwendung

(c) Souza / pixelio.de

Also alles ganz einfach?

Nein. Das ist wieder eine von den Wahrheiten und Erkenntnissen die sich so einfach sagen und sich so einfach erschließen. Sie umzusetzen  sind das Problem. Nicht für die Situation im nebenstehende Bild. Das ist unmittelbar eingängig. Und vielleicht fast jeder Mensch kennt Situationen in denen man etwa mit Kindern in so eine heilsame Situation eintreten kann. Aber kann ich mir vorstellen, dass ich mit einem Menschen in so eine zugewandte Beziehung zu gehen, den ich vielleicht nicht mag? Ein Mensch, mit dem ich ein Problem habe?

Gut. Seinen Intimfeind wird man kaum auf den Arm nehmen – jedenfalls nicht körperlich. Aber vielleicht ist es ja zu schaffen solchen Menschen nicht auf den sprichwörtlichen Arm zu nehmen. Das wäre ja schon mal ein ernsthafter Anfang zu einer achtungsvollen Haltung. Für mich selber tut sich hier ein großes Übungsfeld auf. An vielen Stellen komme ich mit Menschen zusammen, die problematisch sind oder für die ich selber als problematisch empfunden werde, was in der Praxis des Zusammenkommens oft auf das Selbe hinausläuft. In der DCCV arbeiten wir gerade daran ein neues Ehrenamtsmanagement einzuführen. Das macht nicht nur Freunde und birgt viel Konfliktpunkte, weil es starke Veränderung in einer über 30 Jahre gewachsene Ehrenamtskultur im Verband bedeutet. Hier den Menschen zugewandt zu bleiben ist eine echte Aufgabe. Vor allem dann, wenn die Freundlichkeit nicht dazu führen darf, dass es zu Unklarheiten kommt, wenn man vielleicht auch unangenehme Wahrheiten verkünden oder unpopuläre Entscheidungen tragen und vertreten muss.

In der Yogapraxis kann ich aber immer wieder üben und in der spirituellen Praxis Kraft holen. Das was auf der Matte oder Meditationshocker passiert ist die Trockenübung, die sich dann an der Wirklichkeit messen lassen muss. Freundlichkeit als Übungsfeld?

Spannend!

Ach und um das Maß voll zu machen: Der Wochenspruch der evangelischen Kirchen in dieser Woche ist: Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen. Lasse ich mich darauf ein, macht mir dieser Satz das Gefühl, dass da auf jeden Fall jemand ist, der mir freundlich zugewandt ist. Mir hilft’s …

2 replies on “Über die Freundlichkeit”

  1. Ich bewundere deine Einstellung sehr. Es ist sehr schwer jedem ein gewisses Maß an Hochachtung und Freundlichkeit entgegen zu bringen, es gibt schließlich nicht nur Vollsympathen…

  2. Pingback:Yoga verändert – auch Dich? | Im Alltag leben Blog

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