Das Leben ist mein Lehrer?
Kürzlich las ich bei meinen Streifzügen durchs Netz wieder sinngemäß den Satz: „Nein ich brauche keinen spirituellen Lehrer, mein Lehrer ist das Leben.“ Leider habe ich die entsprechende Seite jetzt nicht mehr wiedergefunden, aber die Sache geht mir nach. Schade, vielleicht hätte sich ja eine Diskussion daraus entwickelt. Ich blog mal drüber, vielleicht findet sich ja so die Stelle wieder 😉
Ohne in Abrede zu stellen, dass das Leben ein sehr strenger und anstrengender Lehrer ist. Und auch ohne in Abrede zu stellen, dass man aus Büchern, anderen Publikationen und sogar aus Blogs (incl. selber Bloggen) lernen kann, so ist es doch nicht das Selbe. Auch wenn man in den Visualisierungen seiner privaten geistigen Übungen möglicherweise seinem eigenen inneren Lehrer begegnen kann: Das Leben ist kein besonders guter Lehrer. Jedenfalls nicht in der Disziplin „geistige Entwicklung“.
Das Leben lehrt uns die praktische Seite. Es stellt Aufgaben, auf die ich reagieren muss und denen ich mich normalerweise nicht entziehen kann. Jedenfalls wenn ich nicht in ein Kloster gehe oder als Yogi in eine einsame Höhle irgendwo in den Bergen. Die einsamen Höhlen werden sehr knapp und das Kloster als Lebensform habe ich für meinen Teil hinter mir gelassen. Also muss ich mich den Lehren des Lebens stellen. Getreu des Mottos „Im Alltag leben“ probe ich den praktischen Lehren des Lebens nachzukommen.
In der geistigen Entwicklung geht es zwar durchaus auch um praktische Dinge. Aber das geistige Leben ist nicht bestimmt davon, dass ich auf Dinge von außen reagiere. Das geistige Leben beinhaltet meinen Plan meines Lebens. Um es mit den Worten eines guten Bekannten bei der Frage warum er meditiert zu formulieren: „Ich suche Erleuchtung!“ Das kann uns das Leben nicht lehren. Solche Dinge, ganz egal wie wir sie nennen, spielen sich weniger in unserem realen Leben ab, sondern in unseren Sehnsüchten, Wünschen, Vorstellungen und Meditationen. Das ist gewissermaßen von unserem realen Leben abgekoppelt. Oft erlebt man sogar eine (scheinbare) Kluft zwischen geistigem und praktischem Leben.
Wenn ich diese Kluft akzeptiere, dann halte ich es für meinen Teil nicht für akzeptabel nur das Leben meinen Lehrer sein zu lassen. Ich möchte mich auf einer sehr tiefen und persönlichen Weise mit den Möglichkeiten meines inneren Lebens austauschen können. Dazu ist ein Lehrer da. Ich suche nicht den Guru, der mein Leben bestimmt. Auch nicht den Beichtvater, der mir die Sünden vergeben kann oder auch nicht. Mein idealer Lehrer macht mit mir die Supervision, die Überschau und Begleitung in meinem geistigen Leben.
Eine meiner wichtigsten Grundüberzeugungen zum Thema Entspannung ist, dass ein wirklich entspannter Mensch gleichzeitig auch ein freier Mensch ist. Weil er die Dinge so sieht, wie sie wirklich sind. Beim Prozess zu dieser wirklichen Freiheit zu kommen, hilft mir mein Lehrer. Durch Ermunterung, Klärung oder auch einfach nur zuhören.
Ich habe so einen Lehrer in der Person meiner Yogalehrerin und in ein paar wenigen anderen Menschen, mit denen ich mich regelmäßig austausche, gefunden. Und dafür bin ich dankbar … denn diese Menschen helfen mir die Lehren des Lebens so zu verstehen, dass sie für mein (geistiges) Leben nützlich werden.
fotos: luxuz::. / photocase.de; XxJUDGExX / pixelio.de
Macht das!
Ich hab vergessen, welcher Lehrer das sagte oder wo es steht – sinngemäß zitiert:
„natürlich lehrt auch das ganz normale Leben, denn alles Leben ist Yoga – nur dauert es viele 1000 Leben lang, bis man ankommt. Mit Yoga-Übungen lässt sich das aber abkürzen“.
Meine eigene Erfahrung: Das Leben lehrt nicht nur „die praktische Seite“. Wenn du z.B. merkst, dass immer wieder dieselben Schwierigkeiten auftreten, dann ist das doch ein klarer Hinweis, dass da ein Hase im Pfeffer liegt und man kann sich dem Thema zuwenden und mit „anders machen“ experimentieren, bzw. sich selbst erforschen, was eigentlich los ist.
Scheitern kann wie der Schlag des ZEN-Meisters wirken und dich aufwecken aus den Routinen. Kapitulieren müssen, einsehen, dass „ich denke/ich mache/ich weiß Bescheid nicht mehr funktioniert, zieht den Boden der gewohnten Egozentrik unter den Füßen weg und kann ein ganz neues Leben anstoßen.
Ein Yoga-Lehrer, der nicht nur die ÜBUNGEN lehrt, sondern auch jede Menge zur Welt und zum Leben sagt, war für mich über zehn Jahre ok – allerdings hatte ich da bereits durch ein „großes Scheitern“ eine Veränderung Erfahrung, die mich zu einer Anderen machte. Sonst wär ich gar nicht offen dafür gewesen.
Es gibt auch den Spruch: Der Lehrer kommt, wenn es Zeit ist… Auch das bezieht sich auf innere Vorgänge, die unabhängig von einer „Belehrung“ stattfinden müssen, damit ein Lehrer überhaupt durchdringt.
Schlussendlich brauchen wir Heutigen nicht mehr unbedingt den Guru, sondern haben die Chance zum spirituellen Austausch auf gleicher Augenhöhe – sei das nun ein Lehrer oder fortgeschrittener Freund.
Richtig ist aber auch, dass wir es nicht schaffen, einen Standpunkt außerhalb unser selbst einzunehmen – und dafür ist ein Gegenüber (Lehrer, Therapeut, weiser Freund..) dann gut, der sagt, was er sieht. Ob wir es auch annehmen können und „was draus machen“, das ist damit allerdings nicht „gesichert“, steht nicht einmal in unserer Macht, sondern hängt davon ab, wie weit das Leben uns schon belehrt hat.
Lieben Gruß
Claudia
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