Wenn noch ein paar Stunden Zeit in den Ästen hängen bleiben …
Auch wenn Yoga als Weg keine Religion darstellt, so steht für die alten Yogis außer Frage, dass es eine göttliche Instanz gibt. Wie anders wäre zu verstehen, dass die Hingabe an Gott eine Möglichkeit ist zur Ruhe – dem Ziel des Yoga – zu kommen. Ich habe kürzlich in einem anderen Zusammenhang darüber geblogged. Meine eigene religiöse Praxis steht also auch in einem Zusammenhang zu Yoga.
Zugegeben, mit normalen Gemeindegottesdiensten tue ich mich oft etwas schwer. Zu voll die Liturgie, viel Rummel und darum vom Klima her ganz oft völlig im Außen bleibend. Wenn dann noch die Predigt mit dem gesammelten theologischen Wissen des Predigers zum Thema glänzt, verstehe ich ganz plötzlich die leeren Kirchenbänke. In der eigenen Gemeinde versuchen wir z.B. mit Meditationsgottesdiensten diesem Trend etwas entgegen zu wirken. Das ändert natürlich nichts am ’normalen‘ Gottesdienst, den ich, wenn schon nicht wegen der Predigt, so doch aus meinem Bedürfnis nach spiritueller Erfüllung besuche. Denn – trotz meiner Kritik – finde ich diese zu einem Teil auch in dieser so oft im Außen bleibenden Veranstaltung.
Um so mehr hat es mich heute getroffen, dass ich im normalen Gottesdienst eines jener seltenen Erlebnisse hatte für die ich jetzt nicht nach Worten suchen möchte. Sie wären vermutlich auch kaum verständlich zu machen. Die Predigt ging über 5. Mose 24, 20 – 22.
20 Wenn du einen Ölbaum abgeklopft hast, sollst du nicht auch noch die Zweige absuchen. Was noch hängt, soll den Fremden, Waisen und Witwen gehören. 21 Wenn du in deinem Weinberg die Trauben geerntet hast, sollst du keine Nachlese halten. Sie soll den Fremden, Waisen und Witwen gehören. 22 Denk daran: Du bist in Ägypten Sklave gewesen. Darum mache ich es dir zur Pflicht, diese Bestimmung einzuhalten.
Angesichts meines Beitrages von vorgestern zum kostenlosen Content hier, machte mich diese Bibelstelle schon neugierig. Zwar bin ich kein Bauer, der Oliven produziert, aber die Aufforderung hinter diesen Zeilen ist knapp und kurz. Von dem was Du produzierst / erwirtschaftest nehme nicht alles für Dich selber, sondern gebe das, was in irgend einer Weise nicht mit höherem Aufwand (= Nachlese) „einzufahren“ ist, denen, die es brauchen können.
Die Inhalte zu diesem Blog fallen gewissermaßen nebenher an. Nach dieser Bibelstelle ist es sogar eine Verpflichtung diese Inhalte frei zur Verfügung zu stellen. Sie gehören den Menschen die beiläufig hier vorbei kommen oder sogar darauf angewiesen sind, weil sie vielleicht keinen Coach / Berater / Yogalehrer bezahlen können oder wollen.
Dem muss man nicht folgen. Vielleicht ist es sogar schon fast zu weit hergeholt. Aber was mich wirklich umgehauen hat war ein Bild das in der Predigt benutzt worden ist.
Das Bild ist: Wie Oliven nach der normalen Ernte an den Ästen hängen bleiben, die ganz selbstverständlich den „Fremden, Waisen und Witwen“ gehören, so blieben auch Stunden an Zeit in unserem Lebensbaum hängen. Stunden die wir genutzt haben uns Fähigkeiten oder Erkenntnisse anzueignen. Die meisten verwerten wir ganz selbstverständlich beruflich zum Sichern unseren Lebensunterhalts. Aber es bleiben immer Stunden von Zeit in den Ästen hängen, die denen gehören, die sie nötig haben .
Einige von diesen Stunden investiere ich hier in dieses Blog. Bisher ohne sie weiter zu hinterfragen. Jetzt sind mir diese „Investitionen“ Stunden an den Ästen meines Lebens die zwar von mir angelegt sind, mir aber nicht gehören. Sie gehören hier hin und allen, die sie aufnehmen wollen.
fotos: chhmz / aboutpixel.de; Wilfried Schmitt, digitalice / pixelio.de
Hallo Bernd,
Kommentare wie: „Schön geschrieben“, „guter Beitrag“, „sehe ich auch so“ “ bin ganz deiner Meinung“ usw. sind im Grunde nicht mein Ding und deshalb bin ich lieber ruhig.
ABER: 😉 diesen Beitrag lese ich bereits zum zweiten Mal. Es fällt mir viel dazu ein.Um meine Gedanken hierzu in Worte zu fassen fehlt mir leider die Zeit.(du weißt schon, der Brotjob)
Dennoch möchte ich nicht gehen, um ein paar Worte der Anerkennung hier zu lassen: Ein „guter Beitrag“, der zum Nachdenken und Diskutieren anregt. Schön geschrieben ist er auch. 😉
Gruß Christa
Ach ja noch was: „Ich sehe das auch so und bin ganz deiner Meinung“ *lach*
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