Das Leben als Übungsfeld

Doris Iding schreibt in der aktuellen Ausgabe (57 – 04/2009) von yoga aktuell einen mich sehr berührenden Beitrag unter dem Titel „Schläfst du noch oder praktizierst du schon?“

Sie gibt dabei die Beobachtung wieder, wie unachtsam Menschen auf Veranstaltungen und Fortbildungen sein können, die gerade Achtsamkeit als Hauptthema haben. Auch geht es um die menschliche Schwäche den Leistungsgedanken in die eigene spirituellen Praxis hineinzubringen. Je berühmter der Lehrer, je exotischer der Ort des Retreats, desto bedeutender wird wohl die Erfahrung dabei sein. Und mitten im eifrigen Austausch über diese wichtigen tiefgreifenden spirituellen Erfahrungen wird das Essen unachtsam eingenommen und einfachste Regeln im Veranstaltungsverlauf nicht beachtet.

Vielleicht wäre ich über diesen Artikel hinweggeflogen, wäre ich selber nicht gerade in einem Prozess bei dem ich ähnliche Erfahrungen teile. Sogar auf beiden Seiten. Einmal bemerke ich bei Teilnehmern an Veranstaltungen wie schön man über gesunde Ernährung sprechen kann und dann das gemeinsame vollwertige Mittagessen durch den Döner von der Bude gegenüber ersetzt. Und gleichzeit sehe ich bei mir selber wie schwer es mir fällt den Alltag bewusst und aufmerksam zu gestalten. Wie oft merke ich nach einem anstrengenden Tag, dass ich ihn wieder einmal mit dem Autopiloten geflogen bin. Ohne wirklich bei mir zu sein.

So kann ich Doris Iding nur zustimmen, wenn sie schreibt: „Es gehört die Bereitschaft dazu, nicht nur das Meditationskissen oder die Yogamatte als ein Übungsfels anzusehen, sondern jeden Moment des Lebens, […] Achtsamkeit, Bescheidenheit, Demut, Mitgefühl, sprich Spiritualität wollen überall praktiziert werden. Und vor allen Dingen setzt sie voraus, dass sie ihrer selbst wegen praktiziert wird. Und nicht als spiritueller Konsumartikel, der missbraucht wird, um das eigene Ego aufzupolieren. Denn solange wir noch so unterwegs sind, schlafen wir noch und praktizieren nicht.

3 replies on “Das Leben als Übungsfeld”

  1. Hallo Doris … man ist schnell mit dem Argument des gehobenen Zeigefingers da, wenn man sich selbst erwischt fühlt 😉 – so gesehen hast Du mich sicher „erwischt“ und offenbar Dich selber auch. Also, wenn da etwas von (Er)Mahnung drin steckt, dann doch wohl kaum aus der Warte der Überlegenheit, sondern vielmehr aus der Warte des selber suchenden und übenden Menschen.

    Wenn man das Leben spiegelt, dann kann es immer sein, dass dabei Dinge gesagt werden, die mensch vielleicht nicht so gerne hören möchte. Und wenn es dann ein ganz klein wenig weh tut – sonst würde ja wohl niemand zum klagenden Lesebrief schreiten – scheint der Artikel ja (s)einen(?) Sinn erfüllt zu haben.

    Ein alter Lehrer hat mir am Wochenende noch sehr eindringlich ins Stammbuch geschrieben, dass Yoga weh tun muss, sonst ist es Wellness. Wenn ich jetzt auch nicht ganz diese Linie fahre, so ist doch was dran an der Idee, dass Yoga nicht unbedingt das ist, was mich jetzt gerade erfreut.

    Viele Grüße

    Bernd

  2. Guten Morgen,

    freut mich, dass mein Artikel gefallen hat. Ich habe nämlich auch einen Leserbrief bekommen, in dem mir „ein erhobener Zeigefinger“ vorgeworfen wurde. Schade. So war der Text ja weiß gott nicht gemeint.

    Ich selbst habe oft genug mit Unachtsamkeit zu tun – besonders dann, wenn ich telefoniere – und gleichzeitig emails checke 🙁

    Also bleibe ich einfach dran und übe…. und schlafe wieder ein … und übe und schlafe weiter und wache wieder auf… .

    Jeden Tag aufs Neue.

    Om shanti.
    Doris

  3. kingarthur on

    Ähnliche Erfahrungen habe ich auch gemacht. Da gehen die Leute in Sport und Yoga, parken aber direkt vor der Türe. Können ein paar Meter, da wäre ein Groß-Parkplatz, nicht laufen…

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