Janis – findet eine fünfte Kerze
Janis hat sich in diesem Winter kurz vor Weihnachten nachmittags mit Freunden getroffen. Schnell kommt man ins Plaudern. Wie immer um diese Jahreszeit fällt die Dunkelheit früh herein. Da niemand daran gedacht hat das Licht an zu machen, bringen nur noch vier Kerzen ein sanftes Licht. Glühwein-, Kaffeeduft und ein dezenter Geruch von Weihnachtsgebäck erfüllen den Raum. Langsam erstirbt das angeregte Gespräch und macht jener stillen Nachdenklichkeit Platz, die man nur unter vertrauten Menschen erleben und gut ertragen kann.
„Hat nicht auch der Adventskranz vier Kerzen?“ fragt Janis, „wofür stehen die eigentlich, irgendwo gibt es doch für alles eine Bedeutung?“
„Eine Kerze steht sicher für Frieden. Weihnachten bringt Frieden auf Erden,“ meint einer der Besucher. „Aber wenn ich mich umschaue, dann sehe ich keinen Frieden. Krieg ist zwischen vielen Staaten, blutige Bürgerkriege toben in anderen. Nein, ich sehe keinen Frieden. Darum lösche ich jetzt diese Kerze.“
Der Raum wird etwas dunkler, als die Kerze aus ist. Die Gruppe versinkt in tiefe Nachdenklichkeit.
„Die zweite Kerze steht bestimmt für die Liebe. Weihnachten ist das Fest der Liebe zwischen den Menschen. Aber ich erfahre die Liebe nicht. Bald jede zweite Ehe wird geschieden. Kinder werden alleine gelassen. Im Beruf geht es darum sich zu profilieren, meist auf Kosten der anderen. Liebe gibt es im normalen Leben nicht mehr.“ Der zweite Besucher beugt sich über den Tisch und löscht die Kerze.
Die Dunkelheit wird tiefer. Das Ticken der Uhr ist fast das einzige Geräusch, was zu hören ist.
Der nächst Besucher beginnt leise zu sprechen: „Eine Kerze steht wohl für den Glauben. Als ich Kind war, habe ich an das Christkind geglaubt, später daran dass Jesus als Erlöser in die Welt gekommen ist. Dann habe ich geglaubt, dass das Leben besser wird. Jetzt fühle ich mich nicht erlöst und sehe nicht, dass die Dinge besser werden. Der Glaube ist verschwunden. Darum lösche ich besser auch diese Kerze.“
Die Dunkelheit jetzt ist schon fast greifbar. Nur noch ein Licht bringt ein mattes Licht. Lange sagt niemand etwas.
Bis Janis etwas einfällt: „Es mag sein, dass nicht überall Friede herrscht, Liebe selten ist und Glauben immer schwerer wird. Aber mir ist eingefallen, wofür die vierte Kerze stehen könnte. Sie steht für Hoffnung. Die Hoffnung hilft uns für Frieden dort einzustehen, wo es schon fast aussichtslos scheint zu einer Einigung zu kommen. Die Hoffnung hilft weiterhin Liebe zu schenken ganz ohne Hintergedanken und die Hoffnung ist es, die die Fähigkeit zum Glauben an die Menschen und auch an Gott wieder belebt.“
„Ja, die Hoffnung macht dieser Trostlosigkeit ein Ende.“
Janis nimmt ein abgebranntes Streichholz, zündet es an der letzten Kerze an und bringt alle Kerzen im Raum wieder zum Leuchten. Der Raum wird wieder heller und langsam kommt auch wieder ein Gespräch in Gang. Erst schleppend, dann wie befreit munter und froh.
„Ich glaube“, denkt Janis bei sich, „es fehlt noch eine fünfte Kerze.“
„Die Kerze für die Freude. Die Freude darüber, dass Frieden machbar, Liebe spürbar, Glaube erfahrbar und Hoffnung in uns ist.“
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Hallo Zamyat,
nein, die Geschichte ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Irgendwo habe ich sie, genau wie die Geschichte der 4 Kerzen, aufgeschnappt, aufgeschrieben und abgelegt. Und wenn es mir passend erscheint krame ich sie wieder aus.
Lieben Gruß
Christa
Liebe unbekannte Christa,
die Geschichte finde ich nun ungeheuer schön! Hast du die selbst geschrieben?
Zamyat
Es ist Heiligabend, kurz vor der Bescherung kommt das Streicholz zur Christbaumkerze und sagt:
„Du, ich habe den Auftrag dich anzuzünden“
„Hilfe, doch nicht mich“ antwortete die Kerze erschrocken. „Wenn ich brenne, dann war ich ja die längste Zeit hier gewesen und niemand kann mehr meine Schönheit bewundert“
Willst du dein ganzes Leben lang kalt und hart bleiben, ohne richtig gelebt zu haben?“ fragte das Streichholz nachdenklich.
„Brennen tut aber weh“ flüsterte ängstlich die Kerze.
„Das ist richtig und wahr, ja. Aber genau das ist das Geheimnis unserer Berufung: Wir, du und ich, sind dazu berufen Licht zu sein. Ich kann nur wenig tun. Wenn ich dich aber nicht anzünde, so verpasse ich den Sinn meines Lebens. ICH bin hier auf dieser Welt um Feuer zu entfachen. DU bist eine Kerze und sollst für andere leuchten und Wärme schenken. Alles was du an Schmerz und Leid hingibst wird in Licht verwandelt. Vertrau‘ mir, du gehst nicht verloren, wenn du dich verzehrst. Andere werden dein Feuer weitertragen. Nur wenn du dich versagst, wirst du sterben.“
Da richtete die Kerze ihren Docht auf und sprach aufgeregt und voller Erwartung:
„Ich bitte dich, zünde mich an!“
Janis hat das wirklich gut erkannt um was es geht. Sinn der Kerze ist das Licht, das sie spendet und nicht das Wachs zum Aufbewahren. Nur Brennende könnenleuchten und so zu Hoffnungsträgern werden.